Kriterien zur Unterscheidung von Studiengängen nach B.Sc./M.Sc. und
B.Eng./M.Eng. in Informatik bei der Akkreditierung
1. Versuch einer Definition
Gerhard Zimmermann, Universität Kaiserslautern - 16.02.2000
Situation
Die Richtlinien der HRK und KMK stehen in Bezug auf die Definition der
Abschlußbezeichnungen von Bachelor- und Masterstudiengängen
im Widerspruch zu der Forderung nach Angleichung deutscher Abschlüsse
an die international üblichen. Dadurch läßt sich die weitere
Forderung, daß sich Abschlüsse von Fachhochschulen und Universitäten
unterscheiden müssen, in der Informatik nicht so leicht realisieren.
Es war auch nicht zu erwarten, daß die HRK und KMK eine einheitliche
Regel für alle Fächer finden konnte. Deshalb haben sich Vertreter
von Fachhochschulen und Universitäten in einer Kommission der
GI zum Ziel gesetzt, eine Lösung für die Informatik zu finden,
die beiden Hochschultypen gerecht wird und trotzdem international üblichen
Bezeichnungen und deren Bedeutung möglichst nahekommt.
Voraussetzungen
Internationalisierung muß und darf nicht dazu führen, daß
Vorteile des deutschen Ausbildungssystem zugunsten einer imaginären
Vereinheitlichung aufgegeben werden. Weder weltweit noch in Europa gibt
es ein einheitliches System und nicht einmal in den USA, deren System wegen
der größten internationalen Verbreitung am ehesten als
Standard angesehen werden kann, sind die Abschlußbezeichnungen
ganz einheitlich. Wir sollten deshalb den Mut haben, ein deutsches System
zu definieren, das übliche Bezeichnungen verwendet, das international
leicht verstanden werden kann und das in Deutschland akzeptiert und mit
Hilfe der Akkreditierung einheitlich angewandt und durchgesetzt wird.
Zwei Vorzüge des deutschen Ausbildungssystems an Hochschulen, die
nicht aufgegeben werden sollten, sind:
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Die beiden Hochschultypen Fachhochschule und Universität, die durch
unterschiedliche Orientierungen in der Ausbildung verschiedene Begabungen
und Interessen bei den Studierenden ansprechen und fördern und
unterschiedliche Anforderungen in der beruflichen Praxis unterstützen.
Diese Hochschultypen gibt es auch in einigen anderen europäischen
Ländern, aber nicht in den Ländern mit einer Tradition in Bachelor/Master-Abschlüssen.
-
Eine durch Fachbereichs- und Fakultätentage und durch Rahmenordnungen
erreichte Einheitlichkeit von Ausbildungsstandards an den jeweiligen
Mitgliedshochschulen, die die gegenseitige Anerkennung von Studienleistungen
und Abschlüssen innerhalb jedes der beiden Hochschultypen ermöglicht.
Das ist weltweit ziemlich einmalig und ein unbedingter Vorteil.
Es gibt natürlich weitere Vorzüge, die aber nicht direkt die
Problematik der Abschlußbezeichnungen betreffen.
Problem
Die beiden geschilderten Vorzüge verursachen auch das Problem, ohne
dessen Lösung eine gemeinsame Strategie bei der Akkreditierung von
Fachhochschulen und Universitäten nicht gefunden werden kann.
Eine gemeinsame Strategie, ausgedrückt durch eine gemeinsam erarbeitete
GI-Empfehlung, hätte aber mehr Gewicht als einzelne Empfehlungen bei
dem Versuch, einheitliche Kriterien für die Akkreditierung bei den
verschiedenen Agenturen durchzusetzen.
Durch die sonst nicht übliche Unterteilung in zwei Hochschultypen
in Ländern mit Bachelor/Master-Abschlüssen lassen sich keine
internationalen Vorbilder finden. Deshalb sind weder die Fachhochschulen,
noch die Universitäten bereit, einen unüblichen Titel zu verwenden.
Es bleiben deshalb nur die beiden Zusatzbezeichnungen "of Science" (Sc.)
oder "of Engineering" (Eng.). Es läßt sich auch keine Übereinstimmung
darin erzielen, jeweils einen der beiden Bezeichnungen nur für jeweils
einen der Hochschultypen zu verwenden, etwas Eng. für Fachhochschulen
und Sc. für Universitäten. Auch Zusätze wie (FH) hinter
der Bezeichnung werden nicht akzeptiert.
Um nicht den 2. Vorzug der Einheitlichkeit innerhalb eines Hochschultyps
aufzugeben, ist eine völlige Freigabe der Abschlußbezeichnungen,
wie sie in den USA möglich ist, auch keine Lösung. Dann ist der
Titel nur noch im Zusammenhang mit dem Hochschulnamen aussagekräftig
und und ein Transfer von Abschlüssen und Studienleistungen auch
innerhalb von Deutschland nicht mehr ohne weiteres möglich.
Beide Probleme zusammen ergeben eine typische Deadlocksituation.
1. Lösungsvorschlag (2 Kriterienklassen)
Um dieses Deadlock aufzulösen soll folgendes versucht werden: Die
Unterscheidung, welche Abschlußbezeichnung in einem Studiengang verwendet
wird, hängt nicht automatisch vom Hochschultyp ab, sondern von der
Art der Ausbildung. Die Art der Ausbildung wird durch Kriterien
definiert, die unabhängig vom Hochschultyp bei der Akkreditierung
angewandt werden. Dabei sollen die folgenden Zuordnungen gelten:
Grundlagenorientierte Studiengänge vergeben die Abschlußbezeichnungen
B.Sc. und M.Sc.
Praxisorientierte Studiengänge vergeben die Abschlußbezeichnungen
B.Eng. und M.Eng.
In beiden Fällen wird "in Informatik", "in Computer Science" oder
eine genauere Spezifikation angehängt, wie international üblich.
Der Anwendungsbezug eines Studienganges wird ausdrücklich
nicht
als Unterscheidung herangezogen, da er für alle Studiengänge
empfohlen wird.
2. Lösungsvorschlag (4 Kriterienklassen)
Wie im ersten Lösungsvorschlag, aber die Kriterien sind für die
beiden Hochsschultypen verschieden. Diese Lösung soll hier nicht
weiter diskutiert werden, da sie zwar leichter zu formulieren ist, aber
den Nachteil des Verlustes des Vorzuges der Einheitlichkeit hat.
Kriterien
Es soll hier nicht versucht werden, inhaltliche Kriterien
aufzustellen, wie sie bereits in Empfehlungen der Fachbereichs- und
Fakultätentage vorliegen und auch von Akkreditierungsgremien wie AVS
beschlossen wurden, sondern es sollen abstraktere Kriterien formuliert
werden, aus denen sich dann inhaltliche Änderungen der bisherigen
Vorschläge ergeben können.
Es soll auch nicht versucht werden, einen vollständigen
Kriterienkatatog aufzustellen, sondern nur die Kriterien herauszuarbeiten,
die für beide Studiengangstypen charakteristisch sind und zu
Unterscheidung dienen können.
Auch wenn die Kriterien jeweils einen Hochschultyp bevorzugen, darf
nicht ausgeschlossen werden, daß der jeweils andere die Kriterien
auch erfüllen kann. Es wird dann davon ausgegangen, daß von
einer zum Typ der "anderen" gehörenden Hochschule sinnvollerweise
zwei unterschiedliche Studiengänge angeboten werden.
Kriterien für praxisorientierte Studiengänge
Praxisbezug ist die Besonderheit und das Qualitätsmerkmal
der Lehre an den Fachhochschulen. Aber auch einige Informatikfachbereiche
an Universitäten streben einen größeren Praxisbezug an.
Die Kriterien müssen sich deshalb vorwiegend an den an Fachhochschulen
üblichen Anforderungen orientieren. (Die Sicht des Autors kann deshalb
nur ein erster Versuch sein.)
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Praxisbezug hat zur Voraussetzung, daß die Lehrenden, also im wesentlichen
die Professoren, bereits bei ihrer Berufung Erfahrungen aus der Praxis,
in die der überwiegende Teil der Absolventen entlassen wird, mitbringen.
Das muß auf jeden Fall für die große Mehrheit der
Lehrenden gelten. An Fachhochschulen ist der Praxisnachweis typischerweise
ein Berufungskriterium, aber auch an Universitäten haben viele der
Lehrenden in der Informatik entsprechende Berufserfahrungen in der Praxis.
Darüberhinaus sind Kriterien wie Fachwissen und Fähigkeit
zu lehren ebenfalls zu erfüllen.
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Wegen der schnellen Veränderung in der Praxis der Informatiksysteme
und -anwendungen ist der ständige Kontakt der Lehrenden mit der relevanten
Praxis erforderlich. Relevant heißt hier, das rein hochschulinterne
praktische Erfahrungen im Allgemeinen nicht relevant sind. Diese
Praxis kann durch periodische Rückkehr (Freisemester) in die Praxis
oder durch entsprechende Projekte erworben werden.
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Die Studierenden müssen eine praktische Tätigkeit in ihrem Berufsfeld
außerhalb der Hochschule und außer in reinen Forschungsinstituten
nachweisen.
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In dem überwiegenden Teil der Informatik-Lehrveranstaltungen soll
der Praxisbezug direkt aufgezeigt und geübt werden. Trotzdem
müssen die Lehrveranstaltungen wissenschaftlich fundiert sein.
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Die Studierenden sollen die Möglichkeit haben, an Projekten aus oder
für die Praxis mitzuarbeiten.
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Die mathematische Ausbildung soll sich vor allem an der für die Anwendungen
notwendigen mathematischen Fertigkeiten orientieren
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Ein erheblicher Teil des Studiums muß für die Vermittlung von
nicht fachspezifischen Kompetenzen für die berufliche Tätigkeit
verwendet werden.
Kriterien für grundlagenorientierte Studiengänge
Grundlagenorientierung ist die Besonderheit und das Qualitätsmerkmal
an den Universitäten. Aber auch einige Informatikfachbereiche an Fachhochschulen
haben die nötigen Voraussetzungen für eine grundlagenorientierte
Ausbildung. Die Kriterien müssen sich deshalb vorwiegend an den an
Universitäten üblichen Anforderungen orientieren.
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Eine grundlagenorientierte Lehre setzt bei den Lehrenden, also im
wesentlichen bei den Professoren, bereits bei ihrer Berufung eine
besonders gute fachliche Qualifikation voraus, die durch besondere
wissenschaftliche Leistungen in der Forschung nachgewiesen werden.
Darüberhinaus ist das Kriterium der Fähigkeit zu lehren
ebenfalls zu erfüllen. Beides zusammen wird häufig durch die
Habilitation nachgewiesen. Praxiserfahrungen sind erwünscht,
aber kein Ausschlußkriterium.
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Wegen der schnellen Veränderung der Wissenschaft Informatik ist die
ständige Beteiligung der Lehrenden in der Forschung erforderlich,
um neben der eigenen Weiterbildung die Studierenden in den neuesten
Erkenntnissen in der Informatik unterrichten zu können. Erfolge in
der aktiven Forschung müssen über Publikationen (national und
international) nachgewiesen werden.
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Soweit es die bisherigen Erkenntnisse der jungen Informatikwissenschaft
erlauben, sollen alle Lehrveranstaltung von den wissenschaftlichen Grundlagen
des Spezialgebietes ausgehen, aber im wesentlichen auch die Anwendungen
der Grundlagen vermitteln und üben. Der Praxisbezug darf dabei
nicht vernachlässigt werden.
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Die Studierenden sollen durch Mitarbeit in Forschungsprojekten in der Lösung
von Problemen geschult werden, für die es noch keine Standardlösungen
gibt. Diese Probleme können aus dem Bereichen der Grundlagen, der
Informatiksysteme, der Anwendungen oder der Praxis stammen.
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Die mathematische Ausbildung soll sowohl die Fähigkeit zu Arbeit an
wissenschaftlichen Grundlagenproblemen als auch an Problemen aus den Anwendungen
vermitteln und die mathematische Denkweise schulen.
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Eine praktische Tätigkeit der Studierenden außerhalb der Universität
ist erwünscht.
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Ein erheblicher Teil der Ausbildung muß für die Vermittlung
von Grundkenntnissen in einem Anwendungsgebiet der Informatik verwendet
werden.
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Die Vermittlung von nichtfachspezifischen kompetenzen für die
Berufstätigkeit ist wünschenswert.
Quelle: http://wwwagz.informatik.uni-kl.de/staff/zimmerma/FakulTagInf/AkkKomm.d/Kriterien.html
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